
Mehr Sichtbarkeit für kirchliche Bildung im Internet durch Marketing?
KiLAG-digital schlägt mit einer eigenen Bildungs-Plattform einen gemeinsamen Weg in Richtung Bildungsmarketing ein. Es werden überregional kirchliche Bildungsangebote präsentiert, um auf diese Weise mehr Sichtbarkeit im Netz zu erreichen. Ein Interview mit Dr. Beate Schmidtgen - promovierte Theologin und Leitung der Regionalstelle der Evangelischen Erwachsenenbildung (EEB) Hochrhein-Markgräflerland und Teil der KiLAG-Community.
Oliver Streppel: Du bist seit 1.April 2018 als Leitung der Regionalstelle der Evangelischen Erwachsenenbildung tätig. Was genau ist hier Deine Aufgabe?
Beate Schmidtgen: Bildungsarbeit gehört seit der Reformation zum evangelischen Profil. Unter dem Motto „Gut gebildet glauben“ hat die Ev. Landeskirche in Baden 2016 einen neuen Bildungsgesamtplan erarbeitet, in dem auch die Ev. Erwachsenenbildung verortet ist. Mit ihren Einrichtungen ist sie Teil der öffentlichen Weiterbildung. Durch sie nimmt die Evangelische Landeskirche in Baden ihre gesellschaftliche Verantwortung und ihren öffentlichen Auftrag im System der Weiterbildung wahr.
Ich bin verantwortlich für kirchliche Bildungsarbeit in den Kirchenbezirken Hochrhein und Markgräflerland, oder „weltlich“ gesprochen für die Landkreise Lörrach und Waldshut. Mein Büro ist in Lörrach. Von dort aus koordiniere ich Veranstaltungen und sorge dafür, dass sie an wechselnden Orten in beiden Kirchenbezirken durchgeführt werden. Veranstaltungen mit einem theologischen Thema mache ich häufig selbst, mein Schwerpunkt ist die Auslegung der Bibel. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist Marketing. Wie erfahren die Leute von unseren Angeboten.
Oliver Streppel: Das heißt, die Werbung für alle in den Kirchengemeinden stattfinden Veranstaltungen laufen über Deinen Schreibtisch.
Beate Schmidtgen: Ja und Nein. Nicht alle Bildungsveranstaltungen laufen über meinen Schreibtisch. Kirchliche Bildungsarbeit findet häufig in kleinräumigen Strukturen statt. Entweder in den örtliche Bildungswerken, wenn sie ökumenisch sind, in Mehrgenerationenhäusern und Familienzentren oder in den Gemeinden vor Ort. Dort gibt es durchaus qualitativ hochwertige Veranstaltungen zu gesellschaftlich relevanten Themen, die zum Teil über uns als Regionalstelle organisiert werden. Aber Gemeinden bieten auch selbst Veranstaltungen an. Meistens werden die über Flyer, den Gemeindebrief oder die Homepage beworben, wenn es eine gibt. Während Corona kamen Social-Media-Accounts dazu. Die Reichweite geht da oft kaum über den engeren geographischen Raum oder die bekannten Gesichter hinaus. Wenn ich mir anschaue, wie viele bzw. wie wenig Leute die Homepage besuchen, dann bringt mich das schon ins Grübeln.
Oliver Streppel: Wie sieht Dein Konzept für mehr Marketing aus, um mehr Menschen zu erreichen?
Beate Schmidtgen: Marketing ist sehr komplex. Da geht es nicht darum, wo ich Flyer auslege oder wie ich ein Plakat gestalte. Es reicht nicht mehr traditionelle, analoge Wege zu gehen. Damit sprechen wir keine neuen Zielgruppen an, damit erreichen wir zum Teil nicht einmal mehr unsere „alten Bekannten“. Auch der Weg über Sozial-Mediale Kanäle eignet sich nur bedingt um Veranstaltungen zu promoten. Es wird von uns als Erwachsenenbildung erwartet dass wir Sozial-Medial präsent sind. Doch ist das eher für ein generelles Image gut, nicht für das Marketing einzelner Veranstaltungen.
Wenn wir über Marketing sprechen, dann geht es zuallererst um die Zielgruppe.
Wen wollen wir mit welchen Angeboten erreichen? Welche Themen sind für wen interessant, welche Formate, welche Zeiten. Und dann geht es darum, wie erreiche ich genau diese Zielgruppe. Die einen nutzen ausschließlich Xing oder LinkedIn, andere TikTok und YouTube, andere Instagram, Pinterest oder Facebook. All diese Wege müssen jedoch passend bespielt werden. Ein TikTok-Video sieht anders aus als eines auf Instagram und spricht andere Menschen an. Das ist extrem zeitaufwändig und funktioniert nur, wenn die Kanäle professionell, authentisch und stetig gefüllt werden.
Oliver Streppel: Okay. Das war jetzt ganz viel das Thema: "Wie betreiben wir Marketing". Doch gehört auch immer das: "Was vermarkten wir" dazu, oder?
Beate Schmidtgen: Richtig.Es geht natürlich um unser „Produkt“: Bildungsangebote. Kirchliche Bildungsarbeit heute findet unter den Bedingungen der digitalen Gesellschaft statt. Das hat mehrere Konsequenzen. Die Planung des Programms ist agiler geworden, erfolgt nicht mehr konzentriert auf zwei Halbjahre, sondern kontinuierlich, um auf aktuelle Themen schneller reagieren zu können. Gedruckte Programme sind dafür zu schwerfällig, sie eignen sich für langfristig geplante oder feste Veranstaltungen.
Dann hat sich das Lernen selbst verändert, es findet nicht mehr überwiegend in Kursen oder Vortragsveranstaltungen statt. Wer konkrete Informationen sucht, greift auf das Internet zurück. Viele wünschen sich dafür aber qualifizierte und verlässliche Quellen. Eine davon kann kirchliche Bildungsarbeit sein, dafür muss sie aber mit asynchronen Angeboten präsent sein, also mit Blogs, egal in welchem Format, mit Wikis, mit Filmen auf den einschlägigen Plattformen. Da ist, verstärkt durch Corona, ein riesiger Bildungsmarkt mit mittlerweile schon recht etablierten Formaten.
Auch die Veranstaltungen, die wir durchführen, finden mittlerweile Online oder hybrid statt, d.h. es gibt die Möglichkeit, sich zuzuschalten zu einer Präsenz-Veranstaltung. Digitale Angebote sind räumlich entgrenzt, sie können von allen besucht werden, die zu dem Zeitfenster dabei sein wollen, egal wo sich diese Personen befinden. Bei diesen Angeboten ist für die Nutzenden das Thema relevant, vielleicht auch die beteiligten Referentinnen und Referenten. Der Ort ist nebensächlich, ich nehme ja von zu Hause aus teil. Wenn ich einen Online-Bibelkurs durchführe, dann habe ich mittlerweile Teilnehmende aus ganz Deutschland dabei.
Insgesamt bedeutet das, dass Kirchliche Erwachsenenbildung in der Veröffentlichung ihrer Angebote professioneller werden muss, sowohl was die Gestaltung der Werbung als auch was die Wege angeht.
Oliver Streppel: Was heisst das nun für Dich konkret?
Beate Schmidtgen: Unsere Bildungsangebote müssen überregional im Internet präsent sein. Wir müssen permanent auf den Social-Media-Kanälen mit unseren Inhalten auftauchen. Nur wenn wir viel und regelmäßig Content einstellen, sind wir in den Suchmaschinen sichtbar. Das schafft aber ein einzelnes Bildungswerk oder eine Regionalstelle nicht allein. Für mich heißt das:
Es braucht eine gemeinsame Plattform, auf der alle Angebote gesammelt und präsentiert werden. Wer dann unter dem Stichwort „kirchliche Bildung“ etwas sucht, wird leichter fündig, wer zu einem bestimmten Thema etwas sucht, kann den Ort oder die Veranstaltung auswählen, die am besten passt. An der Praxis überprüfte Filter ermöglichen die Eingrenzung der Suche für möglichst genaue Ergebnisse. Außerdem können wir langfristig dort selbst unsere asynchronen Angebote hinterlegen, Podcasts, Selbstlernkurse usw. Das kirchliche Bildungsportal der KiLAG ist da für mich ein großer Schritt in die richtige Richtung. Etwas ähnliches wird ja gerade in dem Projekt vom BMBF entwickelt.
Oliver Streppel: Ja, die Nationale Bildungsplattform, NBP. Das Projekt ist am 1.4.2021 gestartet mit dem Ziel, eine technische Infrastruktur für eine digitale Bildungsplattform zu schaffen. Sie soll Bildungs-Angebote einbinden und Strukturen für den Datenaustausch testen. Hierbei sollen für Anbietende Angebote einfach in der Bildungsplattform integriert werden und für Nutzende ihr Bildungsleben, eine Lifetime-Learning-Journey abgebildet werden, - von der Schule, über die Universität bis hin zur beruflichen Weiterbildung.
Beate Schmidtgen: Für mich ist das eine Nummer zu groß, vor allem was die Dokumentation des eigenen Bildungsweges angeht. Das braucht es in unserem Kontext nicht. Aber die Bildungsplattform der KiLAG ist für mich eine ergänzende, eigene Lösung speziell für unseren Bedarf. Damit können Seminare, Angebote der Beruflichen Weiterbildung, Hauskreise, Krabbelgruppen, Jugendgruppen und vieles mehr auffindbar gemacht werden. Die Angebote zielen dabei nicht nur auf Erwachsene, sondern auf Jugendliche genauso wie auf ältere Menschen.
Damit möglichst viel Content auch auf der Bildungsplattform eingestellt wird, muss die
Pflege für die einzelnen Einrichtungen so einfach wie möglich sein und keine zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen. Am besten geht das natürlich mit Schnittstellen zu den vorhandenen Homepages: Das vollständige Programm der beteiligten Einrichtungen wird über eine Schnittstelle zum Teilnehmendenverwaltungs- oder zum Aministrationssystem der jeweiligen Homepage abgerufen und erscheint dann auf dem Bildungsportal der KiLAG.
Oliver Streppel: Da ist nur ein kleines Problem dabei: Es gibt mehrere unterschiedliche Systeme für die Homepages oder die Veranstaltungssoftware in den verschiedenen Kirchen. Manche sind Eigenbau, zum Teil auch schon in die Jahre gekommen, andere dagegen bauen glücklicherweise auf dem selben System auf, so dass hier nur eine Schnittstelle für mehrere Einrichtungen programmiert werden musste.
Und noch was: Wir wollen über die Landesgrenzen hinausgehen. Wir wollen alle kirchlichen Bildungsangebote sichtbar machen.
Als KiLAG-digital-Team waren wir von Anfang an darauf ausgerichtet, nicht nur mit den Bildungswerken der KiLAG zusammenzuarbeiten, sondern uns überregional und über den Bereich der Erwachsenenbildung hinaus zu vernetzen, zum Beispiel mit dem Evangelischen Jugendwerk in Württemberg (EJW), der Fachstelle Medien der Diözese Rottenburg, der ev. Kirche in Hessen-Nassau (EKHN), der Erwachsenenbildung in Bayern (AEEB).
Wir bei KiLAG digital wollen gemeinsam über verschiedene Kommunikationsebenen, informelle Lernangebote, Gesprächsrunden, Treffen und Vorbild-Projekte für Menschen da sein. Wir wollen inspirieren, um kirchliche Bildungsangebote zukunftsfähig zu gestalten.
Damit kirchliche Erwachsenenbildung das tun kann, wofür sie steht: Mit Menschen für Menschen Bildungsangebote entwickeln. Raum für Bildung geben. Regional und analog, grenzüberschreitend und digital.
Noch ist die Plattform im Projektstatus.
Nun heisst es Menschen auf allen Ebenen, von Gemeinden bis zu Leitungsgremien, für unsere Vision dieser Bildungsplattform zu gewinnen. Im Juli 2023 ist der offizielle Launch und wir hoffen, dass wir dann die gute Bildungsarbeit, die so viele Menschen in der Kirche leisten, auch gut vermarkten können. Damit wollen wir die Plattform sein für kirchliche Bildungsangebote.
Vielen Dank für das Gespräch.
Hier im Anschluß haben wir noch einen kurzen Einblick in die neue Bildungsplattform:
Hier geht es zur Projekt-Beschreibung:
https://kilag-digital.de/bildungsportal/ueber-das-bildungsportal.htmll
Einen ausführlichen Bericht zum Thema Marketing haben wir in der aktuellen "Forum Erwachsenenbildung" Heft 2-2023 veröffentlicht.

Was bewegt mich dazu als Autor in diesem Blog etwas zu veröffentlichen? Mich treibt eine Frage immerzu an: Wie mache ich Bildung interessanter. Als studierter Medienpädagoge, gelernter Film- und Mediendesigner, zertifizierter Blended-Learning-Designer, Autor, Bildungsreferent bei der Evangelischen Erwachsenen- und Familienbildung, als Vater von Vier Kindern und Hörspielfan habe ich ein breites Spektrum an Interessen und Hintergrundwissen, das ich immer wieder gerne dafür einsetze dieser Frage nachzugehen. Falls Du über eine Frage stolperst, die wir gerne gemeinsam auf den Grund gehen wollen, dann nur gerne her damit.

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